Aargauer Zeitung vom 16. November 1998 über das 125-Jahre-Jubiläum
"Mer send fasch wie ne Familie"
Attelwil Die Feldschützengesellschaft feierte ihr 125-Jahr-Jubiläum
Mit einem Festakt für geladene Gäste, neuen Jacken für die Schützen und einem Racletteplausch für die Bevölkerung feierte die Feldschützengesellschaft Attelwil ihr 125jähriges Bestehen. Zum Apéro spielten die "Attelwiler Örgelifründe" auf.
Nur zwei Dorfvereine hat das 300 Einwohner zählende Dorf Attelwil: Die Trachtengruppe und die Feldschützengesellschaft - Vereine, die auf ländlichen Traditionen gründen. War das Schiessen früher eine reine Männerdomäne, gehören den 45 Mitglieder zählenden Feldschützen heute auch zehn Frauen an - zumeist sind es die Ehefrauen der aktiven Schützen.
Wichtiger als goldene Lorbeerkränze und Schützenbecher sei die Kameradschaftspflege, betonte Präsident René Lehmann in seiner mit Humor gewürzten Rede. Und seine Frau Sonja ergänzt: "Mer send fasch wie ne Familie." Das mag mit ein Grund sein, weshalb "ausgewanderte" Attelwiler dem Verein auch nach Jahren noch die Treue halten.
Man lässt sich nicht lumpen
Die sportlichen und gemütlichen Anlässe im Schützenhaus sorgten für "Kitt", verrieten die Vereinsmitglieder. Auch lasse man sich nicht lumpen. Beim diesjährigen "Sauschiessen" habe man erst aufgehört, als die Munition ausging. Der Schützenkönig habe gar soviel Geld investiert, dass er damit ein ganzes Fleischsäuli hätte kaufen können.
Aus Anlass des Jubiläums liess sich auch die Attelwiler Firma Erismann Elektro GmbH nicht lumpen. Sie sponserte die neuen Jacken in den Gemeinde- und Vereinsfarben. Den Schützen wohlgesinnt sind auch Dorfbevölkerung und Behörden. Kein Wunder, wenn vier der fünf Gemeinderäte Vereinsmitglieder sind und sich der Gemeindeschreiber als Aktuar zur Verfügung stellt. Von dieser Verbundenheit, die sich wie ein roter Faden durch die 125jährige Vereinsgeschichte hindurch zieht, zeugt die gute Infrastruktur des örtlichen Schützenwesens.
Weitsicht hatten die Mitglieder vor fünfzig Jahren gezeigt, als sie das neue Schützenhaus ausserhalb des bewohnten Gebiets oberhalb des Chutzeheims plazierten. Problemlos wurden vor fünf Jahren 211000 Franken genehmigt für die Gesamtrenovation, sechs Scheiben mit Polytronic-Trefferanzeigen und moderne Lärmschutzvorrichtungen.
Ein Dank ging an die Kollegen aus Reitnau, die die Attelwiler Jungschützen zusammen mit ihren eigenen ausbilden. Sonst aber schätzen die sieben Obersuhrentaler Schützengesellschaften ihre Eigenständigkeit. Von Fusionen will man hier nichts wissen. Zwar habe die FSG Attelwil vor kurzem einer anderen Gemeinde eine Offerte für die Zusammenarbeit unterbreitet. Ein Entscheid stehe aber noch aus, verrieten René Lehmann und Vize Theo Maurer.
40 Kilo Käse verspeist
Von der Vergangenheit, mit dem Dank an die Ehrenmitglieder Edi Rössler, Kurt Maurer, Emil Morgenthaler, Kurt Baumann und Fritz Krähenbühl, ging Lehmanns Blick in die Zukunft. Die Schützenvereine sähen sich grossen Veränderungen ausgesetzt. Doch der Präsident zeigte sich zuversichtlich: "Mit motivierten Mitgliedern und dem Goodwill unserer Gemeinde werden wir auch diese Hürden meistern und in 25 Jahren das 150-Jahr-Jubiläum feiern können."
Mit feinem Raclette - eingekauft worden waren 40 Kilo Käse, 30 Kilo Kartoffeln und 15 Kilo Salat - verwöhnte die FSG-Küchenmannschaft die in Scharen anwesenden Gratulanten und die Dorfbevölkerung.
Neu eingekleidet wurden die Attelwiler Schützen zum 125-Jahr-Jubiläum ihres Vereins.
Fünf Franken Busse für GV-Schwänzer
Zur Sache: Aus der Chronik der FSG Attelwil
Am 8. Juni 1873 fand die Gründungsversammlung statt. Als Präsident wurde der Arzt Hans Hunziker gewählt. Gleichzeitig wurde beschlossen, im Moos hinter der ehemaligen Post eine Schiessanlage zu erstellen.
1877: Nachdem sich das Umarbeiten einer Sängerfahne als zu teuer erwiesen hatte, konnte auf Kosten der Bürgergemeinde für 160 Franken eine Fahne angeschafft werden.
1924: In Fronarbeit wurde ein neues Schützenhaus erstellt.
1927: Der als Gesellschaftsweibel gewählte Samuel Baumann hatte den Auftrag, die Mitglieder zur GV aufzubieten. Einen Franken erhielt er für jeden eingeladenen Schützen; gleichviel hatte er als Busse zu zahlen für jedes "vergessene" Mitglied. Wer der GV unentschuldigt fernblieb, wurde mit fünf Franken gebüsst.
1930: Da die Zeigermannschaft mehr Lohn verlangte, stellte die Gesellschaft die Zeiger selbst. Statt Geld gab es ein Nachtessen im Anschluss an die GV. Fr. 2.30 kostete das Essen, Fr. 2.80 der Liter Wein. Dieser Brauch wird bis heute aufrechterhalten - allerdings nich zu den gleichen Preisen...
1948: Die Vereinsfahne musste ersetzt werden. Als Berater für das Fahnensujet wurde der als Maler und Dichter bekannte Gemeindeschullehrer Walter Gottlieb Lüthy beigezogen. Trotz Wirtschaftskrise hatte die Bettelbriefaktion Erfolg: Nach Begleichung der Rechnung für die Fahne (953 Franken), verblieb ein Reingewinn von 1451 Franken.
Im gleichen Jahr wurde das Schützenhaus oberhalb des Chutzeheims gebaut. Übrigens: Das für Attelwil zu klein gewordene alte Schützenhaus konnte an die viel grössere Gemeinde Mühletal zum Preis von 1300 Franken verkauft werden.
1949: Zu einem Grossanlass wurde der Bezug des neuen Schützenhauses, der mit einem Fahnenweihschiessen einher ging. Die Fahnenweihe selbst wurde mit einem Dorffest samt Umzug gefeiert.
1980: Im Schützenhauskeller wurde eine Schützenstube eingebaut.